Den Stein zum (Er-)Liegen bringen: Einbeck startet Feldversuch zur zeitgemäßen Grundstücksgestaltung. !! Achtung: Aprilscherz – aber durchaus zum Nachdenken empfohlen !!
EINBECK. Das südniedersächsische Mittelzentrum zwischen Harz und Solling war schon immer innovativ. Im Spätmittelalter zeigte die Stadt Einbeck ganz Europa, wie gutes Bier schmecken muss. Vor einigen Jahren sicherte sich die Stadt das schönste Oldtimermuseum der Welt direkt vor den Stadtmauern. Und auch das jüngste Projekt hat durchaus etwas von globaler Strahlkraft: Einbeck möchte Vorreiter im Bezug auf pflegeleichte Vorgärten werden!
Während sich beispielsweise die Politik in der Nachbarstadt Bad Gandersheim noch mit dem leidigen Thema Landesgartenschau beschäftigt und mit hohem finanziellen Aufwand ökologischen Städtebau zu betreiben versucht, sind die Einbecker schon wieder einen Schritt weiter.
Jahrelang wurde hinter den Kulissen an der Vision gearbeitet, die Stadt nach und nach in das größte Natur- und Kunststein-Freilichtmuseum Deutschlands zu verwandeln. Und – wie bei allen Projekten in Einbeck – ziehen auch hier sämtliche Kräfte an einem Strang. Die Stadtverwaltung hatte es schon vor vielen Jahren versäumt, in die Gestaltungsordnungen für Grundstücksanlagen entsprechende Regelungen aufzunehmen. Die örtliche Politik griff dieses Manko denn auch dankbar nicht auf; schließlich wollen sich die großen Fraktionen auch um wichtige, bedeutende Themen kümmern und nicht mit Kleinkram aufhalten, wie erst jüngst in der Ratssitzung bekräftigt wurde.
Die Bevölkerung greift die großzügige politische Unterstützung dankbar auf. Und so sprießen sie munter an allen Orten im Stadtgebiet: liebevoll angelegte Steingärten. Gerade die Vorgärten älterer Stadtvillen eignen sich hervorragend, um aus ihnen zeitgemäße Parkplätze und Schottergärten zu kreieren, konnte der Autor bei seinem Spaziergang durch Einbeck feststellen. Und auch hier zeigt sich wieder, dass in dem selbstbewussten Mittelzentrum alle an einem Strang ziehen: So hat beispielsweise u.a. der örtliche Waldorf-Kindergarten rechtzeitig zum Chinesischen Jahr des Flusskieselsteines seine Außenanlagen neu gestaltet.
Derartige Schotter-Stellplätze sind nicht nur chic und pflegeleicht, sondern auch hygienisch. Kein Schmetterlingskot stört vor dem Eingang des Kindergartens und die Kleinsten lernen dadurch schon früh, wie wichtig im Baustoffhandel die richtige Auswahl der Materialien ist. In der ganzen Stadt spüre ich diese Aufbruchsstimmung: Ob Gewerbebetrieb oder Privathaus – die Einbecker möchten betonierte, asphaltierte oder geschotterte Außenflächen nicht mehr alleine nur den Gewerbe- und Industriegebieten am Stadtrand zubilligen. War vor einigen Jahren noch die lieblos mit 50er-Gehwegplatten ausgekleidete Garageneinfahrt Gegenstand lästernder Nachbarn, so sitzt man heute einträchtig zusammen vor dem Haus und diskutiert über die richtige Körnung des Edelkiesbeetes. In den Neubaugebieten wird bisweilen alles in den Vorgarten gekippt, was die regionalen Kieswerke zu bieten haben, aber auch die wenigen verbliebenen Rasenflächen in der Innenstadt sollen in der nächsten Zeit noch umgestaltet werden. Ein Anfang ist jedenfalls gemacht! Und so strahlen mittlerweile diverse liebevoll angelegte Beton-Parkplätze in bester Innenstadtlage um die Wette, glänzen Marmorkiesel in der Sonne und laden zum Staunen und verträumten Innehalten ein.
Dabei – so konnte ich im Laufe meiner Recherche erfahren – ist dieses Umdenken in den Köpfen der Menschen mittlerweile ein Segen für die ganze Region. Die Kreisstadt Northeim – seit der letzten Eiszeit gesegnet mit zahlreichen Kiesseen – erfährt durch Einbecks Bauboom eine finanzielle Renaissance. Schon werden im dortigen Stadtrat Forderungen laut, von den sprudelnden Mehreinnahmen nach und nach die für die Stadt typischen Geisterstraßenzüge zu bewohnbaren Flächen umzugestalten. In den Wohngebieten wirkt sich der plötzliche Steinreichtum positiv auf das zwischenmenschliche Zusammenleben aus – während sich der Nachbar früher regelmäßig über hinüber wehendes Unkraut oder summende Bienen ärgerte, sitzt er heute friedlich auf der Terrasse und zählt die Flusskieselsteine im nachbarlichen Kunstrosenbeet. Laubharken entfällt – die Beseitigung der Blätter erfolgt bequem und schnell mit praktischen Abflammgeräten.
Sollten sich die Pläne der Stadt erfüllen und Einbeck in einigen Jahren zum bedeutendsten Natur- und Kunststeinfreilichtmuseum Europas entwickeln, dann wird auch der Tourismus davon profitieren. Mit einem überdimensionalen Findling werden Durchreisende schon an der Autobahn auf unsere Steingärten aufmerksam gemacht. Ich kann mir zudem gut vorstellen, dass für den sich dann entwickelnden Tourismus ganz neue Programme entwickelt werden, z.B. eine Steingartenführung durch die schönsten Anwesen der Stadt, Barfußpfade mit anschließendem Körnungsquiz oder auch Do-It-Yourself-Kurse, bei denen man in wenigen Urlaubstagen hier vor Ort alles Wichtige zum Thema Gartengestaltung erfährt.
Unsere Stadt ist so reich. An Historie. An klugen Köpfen. An Lokalpatriotismus. Und immer mehr auch steinreich! Fröhliche Ostern – falls Sie die Eier zwischen den ganzen Steinen überhaupt finden! +++
Disclaimer: Der Autor lebt seit 44 Jahren und 359 Tagen in Einbeck. Er verfügt seit einiger Zeit über eine eigene 1,5 Quadratmeter große Fläche mit Lavakies. Er ist nicht an börsennotierten Steinbrüchen beteiligt und unterhält keine privaten Kontakte zu Baustoffhändlern und Baumarktbetreibern.
Immer mehr Kommunen verbieten sterile Steingärten:
https://www.geo.de/natur/nachhaltigkeit/20235-rtkl-steriler-gartentrend-immer-mehr-kommunen-verbieten-schottergaerten
…naja, wo wir schon dabei sind – hier noch ein Bericht, der diesen Aprilscherz mehr als rechtfertigt:
https://www.br.de/nachrichten/kultur/verbot-von-schottergaerten-kiesgaerten-warum-wir-eine-neue-gartenkultur-brauchen,S7LI5pS